Der Desinfektor

Vom Kammerjäger zum Fachberater *

Einleitung

Seit der Choleraepidemie in Deutschland im 19. Jahrhundert ist der Desinfektor als Berufsstand bekannt. Damals waren die Desinfektoren als schnelle Einsatztruppe unterwegs, um mit Chlorkalk gegen den Choleraerreger vorzugehen. Später wurden sie je nach Auftrag auch als „Kammerjäger" bezeichnet, doch hat sich dieses Berufsbild über die Zeit stark verändert. Der einstige Kammerjäger wurde zum Schädlingsbe-kämpfer mit Spezialausbildung.

Heute zeigt sich, dass sowohl alte Seuchen zurückkehren als auch neue Infektionsgefahren mit pandemischem Ausmaß immer wieder neue Herausforderungen darstellen. Für die Verhinderung einer Ausbreitung von Infektionserregern ist viel Fachkenntnis und Teamwork notwendig. Einen Teilbereich dieser Aufgaben decken die Desinfektoren ab.

Aufgabengebiete und Tätigkeitsmerkmale

Desinfektoren/Desinfektorinnen werden im Auftrag des Gesundheitsamtes, von Ärztinnen/Ärzten der Justizvollzugsanstalten (auch Betriebsärztelnnen) oder anderen befugten Fachpersonen tätig. Durch Beratung und Durchführung von Desinfektionsund Sterilisationsmaßnahmen sind sie an der Gesundheitsfürsorge und dem Gesundheitsschutz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beteiligt.

Der Desinfektor führt selbstständig Desinfektionsmaßnahmen bei übertragbaren Krankheiten nach S 17 Abs. 2 IfSG durch. Dies betrifft besonders die Durchführung der (behördlich angeordneten) Schlussdesinfektion in der Art einer Scheuer-Wischdesinfektion. Eine Raumdesinfektion durch Begasungen mit Formaldehyd wird nur in Ausnahmefällen durchgeführt, darf jedoch nur nach Ablage einer weiteren Sachkundeprüfung nach derTRGS 522 durchgeführt werden.

Auf Veranlassung des Auftraggebers führt der Desinfektor auch Maßnahmen zur Ermittlung tierischer Schädlinge durch. Die eigentliche Schädlingsbekämpfung muss jedoch durch Fachpersonal vorgenommen werden. Schädlingsbekämpfer/in erwerben ihre Sachkenntnis in einer 3-jährigen Ausbildung.

Konkrete Beispiele für die Aufgaben der Desinfektoren sind die Durchführung oder Mitwirkung an der Überwachung von

  • Maßnahmen nach Infektionsschutzgesetz,
  • Flächendesinfektionsmaßnahmen im Rahmen von Wartungs-, Reparatur- und Umbaumaßnahmen,
  • Desinfektion von Abwasser- bzw. wasserführenden Systemen,
  • Abfalldesinfektion,
  • Wartung von Desinfektionsmitteldosier-anlagen,
  • Wirksamkeitskontrollen von Dekontami-nations-, Desinfektions- und Sterilisationsverfahren (siehe Anlage zu Ziff. S.6 der Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention).

Zu den Einrichtungen, in denen Desinfektoren tätig sind, gehören Krankenhäuser, Krankentransport- und Rettungsorganisationen, Feuerwehren, Alten- und Pflegeheime, Schulen, Kindergärten, Wäschereien für Krankenhaus- und Pflegeheimwäsche, Lebensmittelproduktionsbetriebe, Badeeinrichtungen, Hotels, Massenquartiere, Bestattungsunternehmen, Gebäudereinigungsbetriebe und ähnliche Dienstleister, Justizvollzugsanstalten und viele mehr. Insbesondere Krankenhäuser und Gesundheitsämter sollten für ihren jeweiligen Aufgabenbereich über Desinfektoren verfügen.

Im Krankenhaus sollten die Desinfektoren fachlich der Krankenhaushygiene zugeordnet werden. So war z. B. der Krankenhausdesinfektor gemäß Ziffer 5.4 der BGA-Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention Mitglied der Hygienekommission. In der aktuellen Empfehlung des Robert Koch-Instituts „Personelle und organisatorische Voraussetzung zur Prä-vention nosokomialer Infektionen" von 2009 ist der Krankenhausdesinfektor nicht mehr genannt, obwohl in der aktuellen Richtlinie das Thema Desinfektion sehr ausführlich behandelt wird. Davon ausgehend, dass aber z. B. die Raurnverneblung mit Formaldehyd nur von sogenannten Fachkundigen, also von ausgebildeten Desinfektoren mit den entsprechenden Nachweisen, vorgenommen werden darf, ist das Berufsbild des Desinfektors immer noch aktuell. Darüber hinaus gibt es noch viele weitere Einsatzmöglichkeiten in einem Krankenhaus, wie z. B. Überwachung und Durchführung der Schwimmbaddesinfektion oder Abnahme von Wasserproben usw.

Stand früher die eigentliche Seuchenverhütung im Vordergrund, ist heute die Beratung bei Themen wie Desinfektion, Arbeitssicherheit, Anschaffung von Reini-gungs- und Desinfektionsmitteln, Gefahrstoffen sowie Abwasser- und Abfallbesei-tigung ein wichtiges Aufgabengebiet.
Zu den konkreten Tätigkeiten von Desinfektoren in einer Justizvollzugsanstalt gehören beispielsweise

  • Regelmäßige Belehrungen der Bediensteten des allgemeinen Vollzugsdienstes und des Werkdienstes bezüglich des Hygieneplanes der JVA sowie Hautschutz.
  • Regelmäßige Unterweisungen der Bediensteten des allgemeinen Vollzugsdienstes und des Werkdienstes bezüglich Reinigung und Desinfektion in deren Arbeitsbereichen.
  • Unterweisungen der Gefangenen (hier: Hausarbeiter auf den Abteilungen, sowie die Reinigungskräfte!) bezüglich Reinigung, Desinfektion und Hautschutz in den Abteilungsduschen und den Spülküchen.
  • Unterweisungen der Anstaltsbediensteten im Sinne der Biostoffverordnung (Gefährdungsbeurteilungen!)
  • Regelmäßige Überprüfung des Hygieneplanes hinsichtlich des Infektionsschutzgesetzes.
  • Regelmäßige Überprüfung der Reini-gungs- und Desinfektionspläne hinsichtlich des Mitteleinsatzes (Neue Ausschreibungen, Veränderung des Mittels, neues Mittel!)
  • Regelmäßige Überprüfung der Standorte der Reinigungs- und Desinfektionspläne, sowie die Überprüfung der (Standort) Richtigkeit der dazugehörenden Reinigungs- und Desinfektionspläne.

Ausbildung

Der staatlich anerkannte Desinfektor/die staatlich anerkannte Desinfektorin ist die durch staatlichen Anerkennungsbescheid
ausgewiesene Fachkraft für Desinfektion. Bei Desinfektoren handelt es sich um eine im jeweiligen Landesrecht eines Bundeslandes (konkurrierende Gesetzgebung gemäß Artikel 74 Grundgesetz) manifestierte Ausbildung mit Abschlussprüfung.

Desinfektoren werden heute über einen mindestens 120 Stunden dauernden Lehrgang an einer staatlich anerkannten Desinfektorenschule ausgebildet und verfügen über die besondere Sachkunde gemäß § 17 (Abs. 2 IfSG). Die Ausbildung gliedert sich in einen theoretischen und einen praktischen Teil.

Der Lehrgang beinhaltet

  • Grundlagen der Infektionslehre
  • Grundlagen der Desinfektion und Sterilisation
  • Schädlingskunde
  • Rechtsgrundlagen und Vorschriften -Aspekte der Umweltverträglichkeit, toxikologische Aspekte, Erste Hilfe, Arbeitsmittel
  • Praktische Übungen (mindestens 25 Stunden): Durchführung von Desinfektionsmaßnahmen, mikrobiologisches Praktikum, Exkursionen.

Die Ausbildungsschwerpunkte der Desinfektorenschulen sind unterschiedlich. Bei der Auswahl der Ausbildungsstätte sollte der konkrete Einsatzschwerpunkt ausschlaggebend sein.

Es gibt derzeit nur zwei Bundesländer, in denen die Ausbildung zum Desinfektor gesetzlich geregelt ist: Nordrhein-Westfalen und Sachsen.
Die Zulassungsvoraussetzungen für eine Ausbildung sind der Hauptschulab-schluss oder ein entsprechender Bildungsstand und der Nachweis einer abgeschlossenen Berufsausbildung oder der Erfüllung der Berufsschulpflicht sowie ein Gesundheitszeugnis und ein polizeiliches Führungszeugnis. Die Prüfung besteht aus einem schriftlichen, einem mündlichen und einem praktischen Teil. Sie wird vor einer staatlich anerkannten Prüfungskommission abgelegt.

Die Ausbildung zum Desinfektor ist auch ein Teil der Ausbildung zum Gesundheitsaufseher/Hygieneinspektor. Hygieneinspektoren überprüfen die hygienischen Begebenheiten in Heimen und Krankenhäuser, nehmen selbst aber in der Regel keine Desinfektionen vor. Auch die Ausbildung zum Gebäudereinigungsmeister beinhaltet den Desinfektor.

Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten

Desinfektoren müssen sich im drei bis vierjährigen Abstand einer Wiederholungsfortbildung unterziehen. Diese Fortbildungen dauern zwischen 6 und 8 Unterrichtsstunden. Für bestimmte Tätigkeitsfelder (z.B. Gebäudereinigung, Krankentransport, Raumdesinfektion, Bettenzentrale) gibt es spezielle Weiterbildungsangebote.

Im Rahmen der Umsetzung des Medizinproduktegesetzes wurde zudem eine 144 Stunden umfassende (zwei mal zwei zweiwöchige Unterrichtsblöcke) Qualifizierungsmaßnahme geschaffen, die Personen mit der Vorbildung als Desinfektor/ in, techn. Sterilisationsassistent oder ähnlich aus- und vorgebildeten Personen die Möglichkeit des beruflichen Aufstiegs zum „Hygienetechniker/in" bieten. Der Einsatz kann sowohl intern als auch extern für Aufgaben im Rahmen der Qualitätssicherung und Hygienesicherheit im medizinischen Bereich erfolgen.

Berufsverband

Die Desinfektoren sind in Landesverbänden organisiert. Der größte Landesverband ist der in Nordrhein-Westfalen. Gegründet 1976, erhöhte sich die Mitgliederzahl stetig und liegt heute nach einigen Höhen und Tiefen bei ca. 150 eingetragenen Mitgliedern. Der Vorstand sieht seine Hauptaufgabe in der aktuellen Information und fachlich beratenden Unterstützung seiner Mitglieder. Dies erfolgt über die neu erstellte Internetseite und die jährliche Verbandstagung, auf der aktuelle Themen von Fachleuten aus den jeweiligen Einsatzbereichen der Desinfektoren behandelt und diskutiert werden. Der Fachverband der Desinfektoren Nordrhein-Westfalen e.V. veranstaltet jährlich den Desinfektoren-Tag, bei dem in Ergänzung zu den Fortbildungen neue Themen und Verfahren vorgestellt werden. Ein weiteres Anliegen des Verbandes ist die bundeseinheitliche Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Desinfektoren.

Weitere Bundesländer mit Fachverbänden für Desinfektoren

  • Landesverband Sachsen e.V.
  • Fachverband für Desinfektoren Landesverband Hessen e.V.
  • Vereinigung der Hygieneinspektoren und Desinfektoren Schleswig-Holstein und Hamburg e.V.
  • Fachverband für Desinfektoren Landesverband Bayern e.V.

Für den Landesverband der Desinfektoren
Nordrhein-Westfalen e.V.
Dipl.-lng. Karl-Joachim Frieg
Regina Nöbel
Prof. Dr. Manfred H.WoIff

Kontakt
Landesverband der Desinfektoren
Nordrhein-Westfalen e.V.
Geschäftsstelle
Tannenforst 12, 47551 Bedburg-Hau
Tel.:+49 (0)160-8415889
Internet: www.ffd-nrw.de

* aus: Hyg Med 2012; 37 - 9, S. 245 ff.